Montag, 24. Oktober 2011

Jede Menge Filme - ALFILM Festival nächste Woche in Berlin

Am kommenden Mittwoch, dem 2. November beginnt in Berlin das ALFILM Filmfestival. Eine Woche lange werden ca 70 aus allen Teilen der arabischen Welt gezeigt. Regisseure präsentieren ihre Werke in den Kinos und stehen dem Publikum Rede und Antwort.
Im Hauptprogramm gibt es aktuellen arabischen Film, zum Beispiel den Eröffnungsfilm "18 youm / 18 days", eine Collage aus 10 Kurzfilmen, die sich mit der ägyptischen Revolution beschäftigt.


Einen meiner Lieblingsfilme, einen fantastischen Politthriller/Drama "Shahrazade, tell me a story" gibt es auch zu sehen! Den sollte man auf keinen Fall verpassen!

Im Fokus steht außerdem das Thema "Humor im arabischen Film", mit vielen Schätzchen auch aus den 40er und 50er Jahren, echte Klassiker arabischer Komödienkunst.
Zudem gibt es ein Kurzfilmprogramm "Shocking Arabs", Podiumsdiskussionen und eine Retrospektive zum Werk  der libanesischen Regisseure Maroun Baghdadi und Borhan Alaouié.

Kommt zahlreich und bleibt auch hier am Blog dran, hier könnt ihr auch im Verlauf des Festivals lesen, wie es war und was passiert!

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Arab Poetry goes Berlin - eine Rückschau

Am Montag gab es in der Literaturwerkstatt in Prezlauer Berg mal wieder ein paar arabische Dichter und Dichterinnen zu bestaunen. Ich war dort, weil ich einen von ihnen übersetzt habe.
Ich lasse jetzt mal lieber aus, dass die Veranstaltung sich vor allem durch mangelnde Organisation (Dichter rauf auf die Bühne, runter von der Bühne, oder doch wieder drauf? Sitzen bleiben? Stehen? Am Pult? Am Tisch? Wieder runter. Nächster drauf. Reden wir arabisch oder englisch? Kopfhörer werden weiter gegeben. Abgesetzt, aufgesetzt, wieder an der Hand der Organisatorin runter von der Bühne. Wer kommt jetzt dran?) und eine hilflose Moderation ausgezeichnet hat (ich glaube auch keine Minute, dass Moderator Michael Roes ein großer Kenner arabischer Literatur, Kultur und Gesellschaft ist. Nicht bei den Fragen, die er gestellt hat).

Jedenfalls, all das beiseite, haben die drei Gäste Hind Shoufani, Ali al-Jallawi und Deeb tolle Texte gelesen und das beste aus der leicht planlosen und chaotischen Veranstaltung.
Hind Shoufani, palästinensische Dichterin, Filmemacherin und Multitalent hat mit englischen Gedichten (Übersetzt von Monika Rinck) über Sex, Unterdrückung, Männer, Frauen und Palästina begeistert und von ihrem aktuellen Filmprojekt erzählt, in dem sie ihren Vater, Elias Shoufani, langjähriger Aktivist und PLO-Mitbegründer, porträtiert. Ali al-Jallawi (Deutsch von Youssef Hijazi) aus Bahrein, der derzeit in Berlin im politischen Exil lebt, las aus wundervoll poetischen Gedichten, und der ägyptische Rapper und Künstler Mohamed el-Deeb, dessen Texte ich bereits im Sommer für's Berliner Poesiefestival übersetzt habe (zwei meiner Lieblingstexte könnt ihr hier lesen; "Bilady" ist auch ein song, unbedingt hier anhören!), hat einmal mehr mit viel Humor und ägyptischem Charme politische Verhältnisse in Ägypten auf den Punkt gebracht.

War alles in allem ein schöner Abend, auch wenn man das nächste Mal besser mich fragen sollte, wenn ein Moderator für arabische Literaturveranstaltungen gesucht wird!

Hier noch zum Mitschwingen sein Hit Masra7 Deeb (Deebs Bühne, übersetzt hier, von mir)

Montag, 10. Oktober 2011

"Religion hat die Dinge noch nie einfacher gemacht"

... hat eine Freundin vor ein paar Minuten geschrieben. Ich bin einfach nur entsetzt, verstört und traurig über das, was sich in Kairo gestern ereignet hat. So viele Tote, und wie es aussieht, ist das Militär dafür verantwortlich.
Es wird allerhöchste Zeit, dass der Militärrat unter General Tantawi zurück tritt und für eine ordentlich gewählte Regierung Platz macht, die außerdem endlich das Gesetz zum Ausnahmezustand aufhebt.
Es ist wichtig, dass Ägypten und der Geist der Frühjahrsrevolution weiter frei und im Sinne der Gerechtigkeit bleiben; dass Religion auch weiterhin keine Rolle spielt, wenn es darum geht, dass Menschen ihr Recht bekommen ...

In diesem Sinne kann ich heute nicht viel mehr sagen als ...

Freitag, 7. Oktober 2011

Friedensnobelpreis für Aktivistin aus dem Jemen

Neben der Präsidentin von Liberia und einer westafrikanischen Aktivistin hat soeben Tawakul Karman, eine jemenitische Aktivistin den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen.
Karman führt seit Jahren im Jemen den Kampf für Frauenrechte, ist Gründerin des Netzwerks Women Journalists without chains und seit Beginn der Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte im Jemen in der ersten Reihe der Proteste dabei.
Hier ein guter TIME Magazine Artikel über Tawakul Karman.

Wie wunderbar, dass das Osloer Komitee sich entschieden hat, auch die Demokratiebewegung im Nahen Osten anzuerkennen und stellvertretend eine der aktivsten Kämpferinnen auszuzeichnen. Zumal die Berichterstattung in der internationalen Presse über die Situation im Jemen nahezu vollkommen eingestellt worden ist.

Mehr über Tawakul Karman in Kürze hier.

Donnerstag, 29. September 2011

Volles Staatsbürgerrecht für saudische Frauen.

Eine Gruppe und Aktivistinnen hat dieses Video mit Forderungen nach vollem Staatsbürgerrecht für Frauen veröffentlicht. Die Übersetzung findet ihr hier.




Wir fordern: Die formelle Anerkennung unserer vollen Bürgerrechte innerhalb unseres Landes durch den Staat. Diese beinhaltet dieselben bürgerlichen, politischen, sozialen und juristischen Pflichten und Rechte, die auch den männlichen Staatsbürgern zugestanden werden. Zudem fordern wir eine offizielle Stelle oder Behörde, die die Entwicklung, Umsetzung und Sicherung der Frauenrechte im Land beaufsichtigt und fördert. Folgende Punkte müssen sollen unwiderruflich festgelegt werden:

1.
Frauen müssen als eigenständige Person vor dem Gesetz und somit vor der Gesellschaft anerkennt werden, mit denselben Rechten wie alle männlichen Mitbürger gleichen Alters. Dazu zählt auch das eigene Unterschriftenrecht sowie das Recht, sich in juristischen, ökonomischen sowie sozialen Angelegenheiten selbständig zu vertreten.

2.
Die Implementierung eines Familienrechts, dass regelt, wie, wo und durch wen eine Scheidung vollzogen werden kann. Zudem soll das Interesse der Kinder gewahrt werden, sämtliche Fragen des Unterhalts, des Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie des Kontaktes zu den geschiedenen Elternteilen müssen gesetzlich zu regeln sein. Das Gesetz muss harte Strafen für häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch und Belästigung im Allgemeinen vorsehen.

3.
Frauen sollen dieselben Chancen und Möglichkeiten für ein eigenständiges Leben bekommen. Dies beinhaltet die Öffnung des Arbeitsmarktes sowie die gesetzlich geregelte Hilfe durch Sozialleistungen, Aus- und Fortbildung, auch für geschiedene Frauen, Witwen, sozial Benachteiligte und Körperbehinderte. Zudem fordern wir die Entwicklung von öffentlichem Nahverkehr und staatlichen Kindertagesstätten.

4.
Die Einführung einer Frauenquote in sämtlichen Gremien und Beiräten sowie dem Shura-Rat, um die Interessenvertretung sowie die Umsetzung der Frauenrechte zu fördern und den Status als vollwertige Staatsbürger zu untermauern.

5.
Die Möglichkeit, unsere Nationalität an unsere Ehepartner und Kinder weitergeben, im Falle einer Heirat mit einem Mann anderer Nationalität. 

Montag, 26. September 2011

Ein kleiner Schritt für die Menschheit ...

... ein großer für die Frauen im Magischen Königreich? Gestern hat König Abdallah von Saudi Arabien etwas überraschend angekündigt, dass Frauen ab 2015 das Wahlrecht in Gemeindewahlen zugestanden werden soll. Frauen sollen dann nicht nur wählen, sondern sich auch zur Wahl aufstellen lassen dürfen.
Für die Aktivistinnen im Land, die sich seit Jahrzehnten für das Frauenwahlrecht stark machen, scheint ein großer Etappensieg erreicht.
Die Frage ist, ob dieses Versprechen mehr als nur Augenwischerei ist. Ich bin sicher, der König meint seine Ansage ernst. Doch der Mann ist alt, und ob er bis 2015, zum Zeitpunkt der nächsten Gemeindewahl noch lebt und im Amt ist, sei mal dahin gestellt. Sein voraussichtlicher Nachfolger, Prinz Naif, gehört zu dem konservativen Lager der Sauds, und ob der, wenn er denn bis dahin den Thron besteigt, dieses Versprechen seines Bruders auch umsetzen wird, ist mehr als nur zweifelhaft.
Umso wichtiger ist es, dass noch in der Zeit des progressiven Königs Abdallah möglichst viel für die Rechte der Frauen getan wird, damit im Falle eines Machtwechsels die Frauen schon wenigstens in eingen Punkten komfortabel "im Sattel sitzen." Oder hinterm Steuer. Das wäre ja auch mal was.

Kleine Ergänzung: Heute findet sich bei Qantara ein sehr gutes Interview zum Thema!

Mittwoch, 21. September 2011

Für einen Staat namens Palästina.

Dieser Tage wird bei der UN ein Antrag eingereicht, der Palästina als eigenständigen Staat und volles Mitglied der vereinten Nationen anerkennt.
Es gibt derzeit noch viel Verwirrung darum, was genau beantragt wird, und was passiert, wenn der Antrag scheitert (was aller Voraussicht nach durch ein amerikanisches Veto im Weltsicherheitsrat passieren wird).
Es gibt hier einige spannende und informative Geschichten bei Al Jazeera, von Robert Fisk und in der FAZ. Die will ich jetzt hier nicht zusammen tragen.



Meine bescheidene, ungefragte Meinung: Mahmoud Abbas hat recht, wenn er sagt, 20 Jahre "Friedens"-Prozess unter Leitung der USA haben zu nichts geführt. Und scheinen auch in naher Zukunft zu nichts zu führen. Ein derartiger Vorstoß der PLO halte ich für richtig und gerechtfertigt. Seit der Regierung Netanjahu haben sich die Lebensumstände für die Palästinenser nur verschlechtert. Die Haltung der deutschen Politik in der Frage der Abstimmung halte ich persönlich für falsch und feige.
Das vorprogrammierte Scheitern zum Trotz wird der Symbolgehalt einer solchen Abstimmung vielleicht endlich zu ein bisschen Bewegung führen.
Doch natürlich ist die Situation alles andere als einfach. Die Hamas ist aggressiver denn je, das Risiko erneuter kriegerischer Auseinandersetzungen hoch.
Und trotzdem: Es muss irgendwann, in einer fernen Zukunft, ein eigenes Land für die Palästinenser geben. Sie haben ein Recht darauf. Und deshalb kann man genauso gut jetzt darum bitten. Und nicht erst später.

Donnerstag, 15. September 2011

Manal Al-Sharif - im saudischen und englischen TV.

Vor ein paar Wochen hatte ich noch einmal kurz über Manal Al-Sharif geschrieben, und darüber, dass die Aktion "Women 2 Drive" ins Stocken geraten und die Facebook-Seite von Manal Al-Sharif etwas stiller geworden zu scheint.
Und prompt erscheint Manal Al-Sharif in ganz großem Rahmen wieder in der Öffentlichkeit. Im Nachhinein war die zeitweise Verstummung wahrscheinlich dem Ramadan zuzuschreiben, wo die Leute sich eher zurück ziehen, Zeit mit der Familie verbringen, usw.

Jedenfalls - Am Sonntag trat Manal in der saudischen (!) TV-Sendung Eda'at auf, wo sie fast eine Stunde lang dem Moderator Turki Al-Dakheel von der Initiative, von ihrer Verhaftung und ihrer Hoffnung für die Zukunft der Frauen in Saudi Arabien erzählt. Es ist ihr erstes Interview überhaupt.



Das Interview ist zu lang, es hier komplett zu übersetzen, daher hier nur eine kurze Zusammenfassung.

Manal ezählt, wie es zu der Gründung der Initiative "Women 2 Drive" kam, dass sie zunächst zusammen mit einer Freundin aus der Uni angefangen hat, sich damit zu beschäftigen, wie es um die Rechtslage ihres Anliegens bestellt ist. Nachdem sie eingehend geprüft (sie zitiert Gesetzestexte und verschiedene Texte von Imamen und religiösen Autoritäten) und festgestellt hatten, dass es qua Gesetz keinerlei Verbote für Frauen in KSA gibt, zu fahren, haben sie zusammen mit einigen anderen Frauen das Datum 17. Juni ausgerufen, und Frauen aufgefordert, sich hinter's Steuer zu setzen.

Manal selbst sagt, sie habe die volle Unterstützung ihrer Eltern und Brüder gehabt.
Was über ihre Haft geschrieben worden sei, sei vollkommen übertrieben und dramatisiert, sagt sie mit einem ziemlich eindeutig amüsierten Lächeln. Ihr sei nie irgendwas angetan worden, ihr Bruder sei fast die ganze Zeit bei ihr gewesen und auch nach ihrer Entlassung habe sie niemand je behelligt oder belästigt oder verfolgt. Sie sei darauf vorbereitet gewesen und sowohl die Festnahme als auch die Haft selbst lief völlig respektvoll abgelaufen. Selbst der Polizist, der sie festgenommen hat, hätte sie erkannt und gefragt: "Geht's hier um den 17. Juni?"

Auch das Gerücht, sie habe im Anschluss ihren Job verloren, sei falsch. Sie arbeite noch immer als IT-Expertin und überhaupt fahre sie selbst in den Compounds schon seit 2007 mit einem amerikanischen Führerschein, so wie viele andere Frauen auch. "Das weiß ja auch jeder, das Frauen auf privaten Geländen seit langer Zeit selbst fahren", sagt der Moderator. Und genau deshalb, sagt Manal, könnte man das ja auch öffentlich machen.

Außerdem spricht sie über die Rolle der Frauen in Saudi Arabien, darüber, dass die Frauen schon viel erreicht haben, dass jedoch die größte Herausforderung sei, das Image der unterdrückten, religiös und familiär unterdrückten Opferfigur vor allem im eigenen Land und bei den eigenen Geschlechtsgenossinnen loszuwerden. Solange die Frauen nicht selbst an ihre Rechte glauben, könne sich auch nichts ändern, sagt sie.

Ja, der "arabische Frühling" habe in diesem Falle auch Saudi Arabien ereicht;  sie würden es "den Frühling der Frauen" nennen, sie und ihre Freundinnen. "Veränderung kommt von Innen. Das glaube ich ganz fest."

Manal, die Beeindruckende. Sie argumentiert ruhig, klug und fundiert; sie weiß genau, wo sie hin will und mit welchen Mitteln sich ihre Ziele erreichen lassen. Aber sie verliert nie die Contenance, sie bleibt respektvoll gegen ihre Familie, gegen den Staat, gegen das Königshaus und gegen die Unterstützer aus dem Ausland. Sie sei eine Privatperson, eine Einzelne, und müsse sich erst noch daran gewöhnen, als "Galionsfigur" verstanden zu werden.

Gestern gab sie dann noch ein Interview in Englisch auf Al Jazeera, in einer Skype-Liveschaltung, wo sie im Großen und Ganzen dasselbe sagt wie bei Eda'at. Allerdings spricht sie hier nicht über ihre Haft usw.


Im arabischen Sender MBC, einer der beliebtesten Sender auf der arabischen Halbinsel und in den Emiraten, gab es - angestoßen durch die Geschichte um Manal Al-Sharif - zudem einen großen Bericht und Diskussion zum Thema. Frauen aus Jeddah werden gezeigt, wie sie sich selbst hinter's Steuer setzen und anschließend drüber sprechen (Eine Frau sagt: "Mein Sohn musste von der Schule abgeholt werden und mein Mann war noch nicht zu Hause - also bin ich selbst gefahren, einfach so. Es war ganz einfach, ich hatte keine Probleme"). Die Frau sei insgesamt schon um die 20x gefahren, und auch als die Polizei mal angehalten hat, habe es keine Probleme gegeben. 



Zusammenfassend kann man also wohl sagen: Es bewegt sich was im Magischen Königreich! Sanfte, langsame Veränderung, denn eine öffentliche Diskussion findet statt. Mädels - weiter so!


Sonntag, 11. September 2011

Einmal Mekka und zurück mit einer echten Westöstlichen Diva

Zehn Jahre 9/11. Heute in allen Zeitungen und auf allen Radio- und TV-Kanälen zu sehen und hören. Als ich mich vorhin am Haus der Berliner Festspiele für die Lesung der saudischen Schriftstellerin Raja Alem einfand, hatte ich bin dahin ans Datum noch gar nicht gedacht. Als es mir dann beim Blick aufs Programm doch einfällt, folgt der unweigerliche Gedanke, ob die Veranstalter für die Dame aus dem Fernen Königreich diesen bestimmten Termin mit Absicht gewählt haben? Herrje. Und die Befürchtung, es könne sich gleich bei dem Gespräch nur um dieses Thema drehen ... Doppel-Herrje. Dafür bin ich nun wirklich nicht hier!
Aber - ich bin angenehm überrascht - zunächst mal läuft die Veranstaltung angenehm unorientalistisch. Es sind nirgendwo Kamele oder fliegende Teppiche zu sehen, der Moderator (sehr souverän, gut vorbereitet und mit angenehmer Gesprächskultur: Arno Widman von der FR) beginnt die Veranstaltung nicht mit einer 1001-Nacht-Referenz. 
Raja Alem ist ganz schön beeindruckend - schöne Frau mit starker Aura, eine echte westöstliche Diva.

Noch beeindruckender: als sie aus dem arabischen Text ihres Romanes (das mit dem diesjährigen "Arab Booker" ausgezeichnete "Das Halsband der Taube") vorlesen soll, schließt sie kurz die Augen, und beginnt dann, eine ganze Passage auswendig aufzusagen. Wenn ihr ein Anschluss verloren geht, genügt ein kurzer Blick ins Buch, dann wieder - Augen wach ins Publikum gerichtet, weiter rezitiert. Auch Moderator Widman zeigt sich beeindruckt - "Sowas habe ich noch nie erlebt, dass ein Prosaautor seinen Roman auswendig vortragen kann." Ja, sie könne tatsächlich auch fast den ganzen Roman auswendig, sagt Alem.
In ihrem Roman geht es um ihre Heimatstadt Mekka, um das alte Mekka. Die beiden Hauptfiguren sind aufgewachsen in den 50er und 60er Jahren dort, und sehen sich nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit den Veränderungen in der Stadt, in der Gesellschaft, im Wertesystem konfrontiert. Das alte Mekkah kenne sie, geboren 1970, nur aus den Erzählungen ihres Großvaters und ihrer Eltern, aber sie findet es wichtig, dieser magischen alten Stadt einen Platz in der Geschichte und in der Erinnerung zu geben, sagt sie, und diesen Platz will sie in ihren Büchern schaffen.
Es geht außerdem um einen Mordfall, eine psychisch kranke Frau und einen deutschen Arzt - viel mehr kann man aus der kurzen Lesung nicht erahnen. 
Dann fragt Widman (verdammt, es war doch bisher auch so gut gegangen!) doch nach dem 11. September, versucht aber, die Frage ein bisschen ironisch zu brechen. Alem reagiert ganz gut, federt ab, gibt wieder, was wohl alle Araber, alle Moslems, vor allem Saudis nach 9/11 empfunden haben - "Mein erster Reflex war es, bei Reisen meinen Pass möglichst versteckt zu halten - plötzlich ist dir bewusst, dass das, was du immer als deine Privatangelegenheit betrachtet hast, nämlich deine Religion und deine Nationalität - öffentlich geworden und von anderen als Bedrohung aufgefasst wird."
Viel interessanter - zumindest für mich, als Übersetzerin - war, was sie über die englische Übersetzung einer ihrer Romane sagt; der Übersetzer hat scheinbar viel an dem Buch verändert - er hat Passagen verschoben, Dinge umgeschrieben, Zusammenhänge verändert. Alles zwar in Zusammenarbeit mit der Autorin, aber die sagt nun, sie sei ehrlich überrascht gewesen von dem englischen Buch. "Der Übersetzer hat Passagen, die ich völlig ernst meinte, Passagen, in denen es um Magie und Mystik geht, als ironisch, als lustige INterpretation von Aladdin und 1001 Nacht gelesen, er hat den Geist des Buches völlig verändert. Es gibt Dinge, die man mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise an die Sprache nicht verstehen und auch nicht übersetzen kann."
Ha! Mein Reden! Und vor allem bei Sprachen, die sich vom Kulturraum so sehr von uns unterscheiden wie Arabisch, Chinesisch, Urdu - auch völlig klar! Wer die Länder und die Menschen, deren Literatur er übersetzt, nur aus der Theorie kennt, wird nie ein guter Übersetzer! 
Am Ende ist die Veranstaltung dann gerade mal eine Stunde lang, schade, ich hätte gern noch ein paar Dinge gefragt, zum Beispiel, ob das Buch nun auch auf Deutsch erscheint (das vorgelesene Exzerpt war grandios übersetzt vom Gottvater der arabischen Literaturübersetzung, Hartmut Fähndrich), und ob Alem auch in Saudi Arabien gelesen wird (bzw. ob ihre Bücher überhaupt erhältlich sind.) 
Aber, immerhin erfahren wir auch noch, dass Alem zusammen mit ihrer Schwester Shadia in diesem Jahr den Pavilion für Saudi Arabien bei der Biennale in Venedig verantwortet. Und in diesem Zusammenhang hab ich dann diese wunderschöne Fotoserie in der Italienischen Vogue gefunden. 
Jawoll, brecht sie mit allen Mitteln, die Klischees über uns Frauen aus dem Fernen Königreich!
Kleine Ergänzung: In der aktuellen Zenith-Ausgabe gibt es ein großes Interview mit Raja Alem.

Mittwoch, 7. September 2011

Literaturfans aufgemerkt.

Heute beginnt das Internationale Literaturfestival in Berlin, und es werden unter anderem auch einige sehr interessante arabische Autoren zu Gast sein. Nicht entgehen lassen sollte man sich auf jeden Fall Rawi Hage, Raja Alem oder natürlich den großen Tahar Ben Jelloun. Außerdem sehr spannend sind Amir Hassan Cheheltan aus Iran, der Iraker Fadhil al-Azzawi und Samuel Shimon, ebenfalls Irak.

Ich werde mich auch bei der einen oder anderen Veranstaltung herumtreiben, vielleicht treffen wir uns ja! Und dann könnt ihr hier demnächst lesen, was so passiert ist bei den Lesungen und Diskussionen!

Donnerstag, 1. September 2011

Ein Grund, NICHT ins Kino zu gehen.

Vor ungefähr einem Jahr habe ich aus ja mittlerweile bekannter Liebe zur schönsten Stadt der Welt den Film Cairo Time reingezogen. Auf DVD, bei einer Freundin. Der Film war damals noch nicht in Deutschland erschienen, und nach ungefähr einer halben Stunde Film war mir auch klar, dass selbst ich, die sich leidenschaftlich alles einverleibt, was auch nur irgendwie mit arabischem Krimskrams zu tun hat, dass selbst ich nach ebendieser halben Stunde wütend das Kino verlassen hätte.
Nun erscheint der Film doch noch in Deutschland, wie ich eben lese. Wahrscheinlich hat sich im Zuge des ganzen Interesses durch die Revolution doch noch ein Verleih gefunden, der dieses Stück Ramsch hierzulande vermarkten will.
Jedenfalls: Sollte auch nur irgendjemand ansatzweise versucht sein, sich den Film anzuschauen: tut es nicht!
Abgesehen von der unfassbar klischeehaften, billigen Handlung (Weiße Amerikanerin mittleren Alters fühlt sich von ihrem erfolgreichen Mann vernachlässigt und trifft in Kairo, wo sie eigentlich ihren Mann besuchen wollte, den schönen, großen, dunklen, mysteriösen Orientalen, der ihr die verzauberte, nach Gewürzen duftenden, mit Kamelen und Pyramiden vollgestopfte Stadt zeigt, die immer irgendwie in Zeitlupe und in Sepia daherzukommen scheint. Natürlich verlieben die beiden sich und es gibt einen Konflikt. Ach.) könnte man sich auch einfach einen TUI Werbeclip über Ägypten reinzwiebeln. Wer sich für Kairo interessiert, findet hier nichts, aber auch gar nichts, was etwas mit der Stadt zu tun hat.
Das einzige, was hier - mal wieder - zu finden ist, ist purer, ätzender, vorgestriger Orientalismus. Das Märchen vom Fremden, vom Exotischen, alles eingeweigräuchert und überromantisiert, vollkommen daneben.
Ich könnte jetzt ins Detail gehen, jede einzelne Szene verhackstücken, aber dafür ist mir die Zeit zu schade. Jedenfalls: Nein, nein, nein zu Cairo Time!
Wer was über Kairo, also das echte Kairo lesen will, sollte sich das Buch von Khaled al Khamissi besorgen. Da riecht es nach Abgasen und Asphalt anstatt nach Weihrauch und Gewürzen, die Menschen tragen braune Galabiyyas anstatt weiße Leinenhemden und statt Kamelen gibt es hunderte schrottreife Taxis zu bewundern. So nämlich ist Kairo, und so liebt man es. Oder eben nicht.

Samstag, 27. August 2011

Nai Al-Barghouti aus Ramallah

Vor einigen Monaten schickte mir eine ägyptische Freundin aus USA diesen Clip


Es handelt sich um die Vertonung eines Gedichtes von Mahmoud Darwishعن إنسان - Über einen Menschen. 
Die Stimme, die Melodie und Darwishs ewig schöne Worte haben mich völlig vom Hocker gerissen. Beim ersten, zweiten, dritten Hören sind mir immer wieder die Tränen gekommen, so schön, so traurig, so unglaublich fand ich das Stück.
Am erstaunlichsten an diesem Lied ist wohl die Stimme der Sängerin. Diese Stimme gehört Nai Al-Barghouti aus Ramallah, Jahrgang 1996. Ja, genau! 1996! Mir ist völlig unbegreiflich, wie man in diesem jungen Alter schon so viel Reife, so viel Trauer, so viel Weisheit in der Stimme tragen kann, und die Zeilen einer solchen Ikone wie Darwish so überzeugend, so vollendet verstanden interpretieren kann. 
Nai studiert in Ramallah klassische Musik und Gesang, hat bereits Stücke für Flöte und Orchester komponiert, arrangiert selbst und konnte schon vor 4 Jahren den ersten Preis für ihre Musik entgegen nehmen. Ihre Identität als Palästinenserin, so sagt sie, ist für ihre Musik Antrieb und Inspiration. 
Nun hat sie gestern ihr erstes Konzert außerhalb von Palästina gegeben, im wunderschönen El Genina Theatre in Cairo. Ganz offenbar hat sie Cairo mit ihrer Musik im Sturm erobert, und ich bin zum 100000sten Mal in diesem Jahr traurig, einmal mehr ein wichtiges, wundervolles Ereignis in Cairo versäumt zu haben.


Wer Nai Al-Barghouti außerhalb von Cairo oder Palästina erleben möchte, kann dies auf dem sehr hörenswerten Sampler A Time to Cry - A Lament over Jerusalem, der von der nicht minder fantastischen Rim Banna heraus gegeben wurde. Darauf befinden sich neben dem oben erwähnten عن إنسان auch noch 3 weitere Stücke von Barghouti, außerdem Lieder von Rim Banna, Wissam Murad und Jawaher Shoufani. 
Den (englischen) Text des Darwish-Gedichtes findet ihr hier. Die deutsche Fassung ist vermutlich in der Übersetzung von Adel Karasholi beim A1 Verlag erschienen.




Montag, 22. August 2011

Wo fahren sie denn?

Nachdem vor ca zwei Monaten die Kampagne "Women 2 Drive" in Saudi Arabien ins Leben gerufen wurde, und kurz darauf ihre Initiatorin Manal AlSharif für mehrere Tage in Haft blieb, ist es still geworden um die Kampagne und die Frage, ob Frauen nun fahren dürfen oder nicht.
Manal AlSharif selbst scheint nach ihrer Haft eher verhalten, äußert sich nicht mehr öffentlich zu dem Thema und betont nur immer wieder, dass sie nie jemanden habe verletzen wollen.
Andererseits hört man aus Saudi Arabien selbst immer wieder, dass immer wieder einzelne Frauen hinter'm Steuer gesehen werden, und dass ihnen - erfreulicherweise - kaum jemand negative Beachtung schenkt.
Vielleicht ist das der Weg - die sanfte Veränderung, sodass sich die Öffentlichkeit langsam an das Bild gewöhnen kann.
Ich sage: Ran an's Steuer, meine Damen, und zeigt's den Posern in ihren Audis :-)


Sonntag, 21. August 2011

Her Story - die Ägyptische Revolution und ihre Frauen

Zurück aus der Ramadan- und Sommerpause werfen wir bei all den Ereignissen rund um den Globus einen Blick darauf, wie sich die Kunst mittlerweile mit der Revolutionsbewegung im Nahen Osten beschäftigt.
Das erste Projekt, das ich euch unbedingt ans Herz legen möchte, ist das Filmprojekt "HerStory". Unabhängige ägyptische Filmemacher befragen Frauen allen Alters und Lebensbereichs zu ihren Erfahrungen während der letzten ereignisreichen Monate in Ägypten. Es spricht die junge Aktivistin ebenso wie die Mutter eines jungen Mannes, der auf dem Tahrir getötet wurde



Ich persönlich finde das Projekt unglaublich spannend und inspirierend und kann es kaum abwarten, den kompletten Film zu sehen. Leider, wie bei allen unabhängig finanzierten Kunstprojekten, müssen die Macher auch hier um ihr Geld kämpfen. Ihr könnt ihnen dabei ein bisschen helfen, indem ihr spendet. Jeder Euro zählt und wird für dieses spannende, mutige Projekt gebraucht.

Ich hab's auch schon getan und drücke den Machern die Daumen, dass sie ihr Projekt realisieren können! Eine authentische Dokumentation der Ereignisse kann nur von den Leuten selbst kommen, die dabei waren! Yalla!



Donnerstag, 9. Juni 2011

Web-Fundstück

Heute mal was für die moderne Abaya-Trägerin von heute! Von Persil gibt es eigens ein Abaya Shampoo. Die Website bietet viele Infos und Designertipps, außerdem kann man seinen eigenen Abaya entwerfen. Ich hab mich für eine eher klassische Variante mit modernem Schnitt entschieden! :-) Hihi, was für ein Spaß!


Fast hab ich jetzt Lust, meinen eigenen Abaya raus zu kramen und hier in Berlin spazieren zu führen! Dass man das Persil Abaya Shampoo allerdings auch hierzulande erwerben kann, ist wohl eher unwahrscheinlich ... Schade eigentlich! Übrigens finde ich, dass die Dame auf der Flasche verdächtig viel Ähnlichkeit mit Heidi Klum hat ... oder nicht??

Dienstag, 31. Mai 2011

Manal Al-Sharif ist frei. Erstmal.

Die gute Nachricht zuerst. Nach neun Tagen Gefängnis ist die Saudi-Araberin Manal Al-Sharif wieder auf freiem Fuße. Die Bedingungen ihrer Freilassung sind allerdings unklar. Im Internet kursiert ein Statement, angeblich von Al-Sharif selbst heraus gegeben, das ihre Freilassung kommentiert. Darin bedankt sie sich in erster Linie bei König Abdallah und den Imamen der Zwei Heiligen Stätten für die Entscheidung, sie aus der Haft zu entlassen, entschuldigt sich dafür. dass ihre Motive missverstanden worden seien (sie habe sich nie als etwas anderes verstanden als eine treue Bürgerin Saudi Arabiens und als gläubige Muslimin), und lässt im Unklaren, inwieweit sie sich nun weiter für das Recht der Frauen im Königreich, sich selbst hinter's Steuer zu setzen engagieren wird.
Natürlich besteht die Möglichkeit, dass dieses Statement eine Fälschung ist, oder aber Al-Sharif genötigt worden ist, es in seiner jetzigen Form zu unterschreiben. Weder ihr Anwalt noch sie selbst haben sich bisher dazu geäußert, wie die junge Mutter in der Haft behandelt wurde. Auch die anderen Beteiligten der Kampagne "Women 2 Drive" sind zur Zeit eher still. Vielleicht hat Al-Sharif das Dokument aber ja auch tatsächlich selbst verfasst und an die Öffentlichkeit gegeben. Vielleicht will sie, die allein erziehende Mutter eines kleinen Jungen, erstmal nur ihre Ruhe und sicher stellen, dass man ihr ihren Sohn und ihren Job lässt (vor einigen Tagen hieß es, man habe ihr gedroht, sie könne das Sorgerecht für ihr Kind und auch ihre Stelle als IT-Spezialistin verlieren, wenn sie von ihrer Kampagne nicht Abstand nimmt). Womöglich ist ihr sogar Geld gezahlt worden, um einen Fahrer zu beschäftigen und dann den Mund zu halten - wer weiß es schon genau ... wir hier bestimmt nicht. Aber möglich, soviel steht fest, wäre jede einzelne diese Varianten.
Es sieht für den Moment zumindest danach aus, als habe das Regime mit der Verhaftung von Al-Sharif erreicht, was es bezwecken wollte - man hat die eigenen Leute wieder ein Stückweit eingeschüchtert und dazu gebracht, das Aufmucken sein zu lassen - man packt sie bei der eigenen Ehre ("Du bist kein guter Moslem und kein guter Bürger, wenn du hier Zicken machst!"), das funktioniert fast immer.
Frauen dürfen noch immer nicht hinter's Steuer, und wenn man dem Kommentar des Innenministers glauben darf, wird sich das auch so bald nicht ändern, Manal hin oder her. Die Frage bleibt also - wie geht es weiter? Haben die Beteiligten um die Kampagne und auch Manal selbst nun den Mut, trotzdem wie angekündigt, am 17. Juni in ihre Autos zu steigen und loszufahren? Oder wird es nun erst einmal wieder still um dieses Volksbegehren?
Als positiv könnte man natürlich werten, dass man Manal Al-Sharif trotz der Ankündigung, man würde ihre Haft verlängern, schon nach weniger als der Hälfte der Zeit entlassen hat. Ob das aber nun dem Internationalen Druck zuzuschreiben ist, wie einige Menschenrechtsorganisationen zu wissen glauben, bezweifle ich allerdings. Aber wie gesagt - wir werden es nie genau erfahren!

Montag, 30. Mai 2011

Orientalism-ism

Wenn ich mir von einer guten Fee etwas wünschen dürfte, dann würde ich sagen: „Hey, Fee. Mach doch mal, dass der Orientalismus in der selbsternannten Ersten Welt im 21. Jahrhundert endlich verschwindet!“
Komischer Wunsch, ich weiß, man könnte sich ja auch neue Schuhe wünschen, oder eine Weltreise, oder den Nobelpreis. Aber mich ärgert der alltägliche Orientalismus um mich herum einfach über alle Maßen, und ich glaube wirklich, könnte die gute Fee den beseitigen, ginge es mir sehr viel besser.
Gestern beispielsweise habe ich mich mit einer Kollegin unterhalten. Die hat beruflich auch hin und wieder mit arabischer Literatur, Musik und Politik zu tun, und erzählte folgende Anekdote:
Sie zeigt einem Kollegen ein Video auf Youtube, wo eine junge ägyptische Dichterin ein Werk vorliest, und zwar auf einer Bühne, vor Publikum. Ich kenne das Video, und glaube zu wissen, was als Nächstes kommt.
„Lass mich raten“, sage ich, „der hat sich dran gestört, dass sie Kopftuch trägt, obwohl sie Anfang zwanzig ist und zur Bildungselite gehört!“
„Ne, viel schlimmer“, sagt die Kollegin. „Am Ende klatschen die Leute im Publikum ja. Und der Typ meinte ernsthaft: 'Ja, das ist ja jetzt schon sehr westlich, dass die applaudieren, ne?'“
Mir fällt vor entsetztem Erstaunen erstmal die Kinnlade runter. Klar, der Orientale hat sich die Kulturtechnik des Applauses erst bei uns abschauen müssen, einem Teil der Menschheit, der bekannt dafür ist, artig und gesittet, aber nicht zu lautstark und enthusiastisch auf künstlerische Darbietungen zu reagieren.
„Was denkt der denn?“, frage ich immer noch fassungslos. „Dass die Leute sonst mit Dingen werfen und die Bühne stürmen?“

Der wilde und zügellose Orientale. Das Bild kennt der Westen, das mag der Westen, das kann der Westen kontrollieren und interpretieren. Stereotypen wie „die sind ja so gastfreundlich“ oder „die treten ja immer und überall gleich mit der ganzen Sippe auf“, sie sind ja gar nicht böse gemeint (meistens), aber sie nerven einfach unheimlich.

Leute, kommt doch mal unter eurer Tausend-und-Eine-Nacht-Decke hervor und schaut euch um! Wann wenn nicht jetzt müsste jedem noch so verbohrten Orientalisten unter uns klar werden, dass die Menschen im Nahen Osten keinesfalls kameltreibende, frauenverprügelnde und säbelschwingende Jihadisten sind?
Und wenn hierzulande plötzlich überall Dossiers, Spezialsendungen und Sonderausgaben zum Thema erscheinen, ist TROTZDEM immer noch das obligatorische Kamel, die Palme, der Teppichhändler oder eine Wasserpfeife irgendwo zu sehen. Und Begriffe wie „Arabien“, „Arabische Welt“ und „Neue Arabische Welt“ helfen da ganz und gar nicht weiter! Seht doch mal ein, dass auch Länder wie Ägypten, Syrien, Tunesien und Libanon im 21. Jahrhundert angekommen sind. dass es keine Seltenheit ist, dass die jungen Leute dort hervorragend ausgebildet und weit gereist sind. Dass wir nicht immer und überall unsere Parameter und Filter und Stereotypen anlegen dürfen!

„Manchmal hab ich einfach die Nase voll von diesem unbezahlten Bildungsauftrag“, sagt meine Kollegin am Ende ziemlich desillusioniert. Kann ich verstehen, geht mir manchmal auch so. Aber wenn ich mal wieder im Spiegel das Wort „Arabien“ lese und den Quotenmoslem mit Bart und Tunika in einer Werbeanzeige in der Bahn sehe, dann juckt's mich ja doch.

Also – wer sich weiterbilden möchte, sollte mal zu Edward Saids Klassiker „Orientalismus“ greifen. Und ansonsten – einfach mal kurz nachdenken und dann lieber Klappe halten, ehe man mal wieder versehentlich Vorurteile drischt.

Sonntag, 29. Mai 2011

Arabische Graffiti-Ausstellung in Berlin

Wie das so ist in so großen Städten wie Berlin, ist man, zumal als Neuankömmling, erstmal erschlagen vom Überangebot. Das gilt für die 1 Million Cafés und Restaurants genauso wie für's Shopping und für's Kulturangebot. Meistens erfährt man zufällig, und oft auch zu spät von Dingen, die einen interessiert hätten (Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Filme ... ). Deshalb bin ich umso glücklicher, dass ich - natürlich rein zufällig - einen Tag vor Ende auf eine ganz tolle Ausstellung zu Arabischen Graffiti gestoßen bin.
Untergebracht im sogenannten Hip Hop Stützpunkt Berlin in Prenzlauer Berg findet sich, ganz versteckt aber höchst charmant, die Common Ground Gallery. Allein die Räume sind schon einen Besuch wert - es handelt sich nämlich um die Schaltzentrale eines alten Umspannwerkes, und man gelangt erst über eine Wendeltreppe in einem verschachtelten Turm in die Galerie. Toll! Mein Ruhrpott-Herz schlug schon sofort höher!
Nachdem wir die Ausstellung dann erstmal gefunden hatten, galt die Begeisterung aber nicht nur den Räumen! Eine spannende, sehr abwechslungsreiche Sammlung von arabischer Street Art vom Maghreb über Palästina bis Libanon konnte man bewundern, auch Werke, die die aktuellen revolutionären Bewegungen spiegeln. Und inmitten all der jungen Arbeiten waren dann auch noch Werke des grandiosen irakischen Kalligraphen Hassan Massoudy zu sehen. Also ich bin begeistert!



Die Ausstellung ist nun leider schon vorbei, aber angegliedert an die Galerie betreiben die Aussteller auch einen eigenen Verlag, wo sie wunderschön gestaltete Bände, hauptsächlich zu Kalligraphie und Street Art heraus geben, und das Buch zur Ausstellung ist definitiv eine Anschaffung, die sich lohnt! Durchgehend vierfarbig, großformatig, fest gebunden, unzählige Fotos und Bilder und spannende Texte zur Geschichte Arabischer Kalligraphie bis zur Entwicklung klassischer Kalligraphie zu Street Art - allerdings ist das gesamte Buch leider nur auf Englisch erhältlich! Aber die Bilder lohnen trotzdem!!

Als nächstes sei in naher Zukunft dann eine reine Kalligraphie-Ausstellung geplant, haben wir dann noch erfahren, und uns mal sofort in den Verteiler aufnehmen lassen! Diesmal wissen wir ja, wo es lang geht! Sollte also jemand von euch mal in Berlin sein - geht mal im alten Umspannwerk vorbei!

Samstag, 28. Mai 2011

Post!


Da bekommt die DIVA heute Post von den befreundeten Kreativgenies von Der Frühe Vogel mit wunderhübschen DIVA-Buttons! Danke nach Oberhausen!!!

Mittwoch, 25. Mai 2011

"The rain starts with a drop"

Wie wahr! Oder auch steter Tropfen höhlt den Stein, wie es bei uns heißt!

Update Manal AlSharif

Inzwischen haben auch die deutschen Medien das Thema aufgenommen und berichten von der jungen Frau, die in Saudi Arabien in Haft sitzt, weil sie Auto fuhr; die Tagesschau, die Zeit und der österreichische Standard brachten heute Beiträge dazu. Auch Amnesty International hat den Fall verurteilt.
Über den Verbleib vom AlSharif ist bislang nichts bekannt, vermutlich sitzt sie noch in Haft. Ihr Anwalt, Adnan Saleh hat sich bisher nicht öffentlich geäußert.
Doch die Welle hat sich in Bewegung gesetzt, keine Frage! Es bleibt zu hoffen, dass all die öffentliche Aufmerksamkeit Manal nutzt, und nicht am Ende noch schadet!

Dienstag, 24. Mai 2011

Freiheit für Manal AlSharif!

Vor ungefähr einer Woche habe ich diesen Beitrag hier bei Jadaliyya, dem großartigen Onlinemagazine zum Thema Nahost, gefunden; ein Aufruf an die Frauen in Saudi Arabien, sich gegen das Fahrverbot für Frauen im Königreich zu wehren, und sich am 17. Juni hinter's Steuer zu setzen. Der Aufruf stammte von einer Kampagne um Manal Alsharif, eine junge Saudi, die den Stein ins Rollen gebracht, den Aufruf bei Youtube gestartet und die entsprechende Facebook-Gruppe gegründet hatte.
Der Aufruf betont, dass es im saudischen Gesetz und im Koran keinerlei Basis für ein Fahrverbot für Frauen gibt, und dass es im Lande viele Frauen gibt, die sich einen kostspieligen Fahrer oder Taxifahrten nicht leisten können. Wegen der gesetzlich festgelegten Geschlechtertrennung sind Frauen auch von der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ausgeschlossen.

„Toll“, dachte ich, „mal sehen, ob das klappt“; ihr werdet euch erinnern, dass ich vor einiger Zeit hier schon mal was über die Frauen und ihre Einstellung zum Autofahren geschrieben habe.

Dann, vor ein paar Tagen musste man auf Al Jazeera lesen, dass Manal Alsharif am Samstag verhaftet wurde. Der Grund: Die Kampagne.
Laut Al Jazeera wurde sie zwar kurz darauf wieder frei gelassen, doch über eine Facebook-Page ist zu erfahren, dass sich die junge Frau nach wie vor in Polizeigewahrsam befindet.
Die Hamburger Journalistin Sara Mously sprach noch kurz vor Manals Verhaftung mit der jungen Frau, doch seither fehle von ihr jede Spur.

Wer sich für Manal einsetzen möchte, kann hier eine Online-Petition unterschreiben und/ oder sich bei der entsprechenden Facebook-Page informieren. Um auf das Schicksal von Manal aufmerksam zu machen, kann dieser Beitrag und auch die entsprechenden Seiten von Facebook und Al Jazeera großflächig geteilt werden.

Saudi Arabien ist das einzige Land weltweit, in dem es Frauen (de facto über 50 % der Bevölkerung) nicht erlaubt ist, Auto zu fahren. Sich aus dem Land heraus selbst zu engagieren, ist mehr als gefährlich, wie die Geschichte von Manal zeigt. Die einzige Möglichkeit für mich hier hinter meinem Rechner ist, diese Geschichte hier zu erzählen und zu hoffen, dass ein Sturm der Entrüstung in allen Ecken der Welt dafür sorgt, dass Manal bald frei ist.  

Live aus Berlin - Diva beim Poesiefestival

Liebe Diven und Diverche,

da war es still um die West-Östliche Diva in den letzten vier Wochen! Dabei war doch so viel los im Nahen Osten! Das tut mir sehr leid! Aber nicht nur im Nahen Osten, sondern auch an der Heimatfront hat sich viel getan, die Diva ist nämlich umgezogen; vom wunderschönen Norden, von Hamburg, meiner Perle hat es mich nach Berlin verschlagen! Auch schön!
Hier habe ich mich nun eingerichtet und freu mich auf die Dinge, die da kommen.
Daher auch die Zeit des Schweigens, die im Leben offline mit Kistenschleppen und Regale schrauben verbracht worden war!

ABER!
Nun geht es endlich weiter!
Und kaum bin ich in Berlin, habe ich auch schon wundervolle neue Aufgaben! Die Diva hat nämlich drei ganz tolle und ganz verschiedene Dichter und Sänger übersetzt, die im Juni beim Poesiefestival in Berlin auftreten werden! Da könnt ihr dann alle hinkommen und El General, Hend Hammam und Deeb live erleben – und meine Übersetzungen gleich mit!

Diese drei sind allesamt junge Menschen aus den revolutionsgeschüttelten Ecken der Erde (Tunesien und Ägypten); El General hat mit seinem Stück Ra'is LeBled der tunesischen Jugend eine Stimme gegeben und war gar kurze Zeit verhaftet worden. Nun kommt er nach Berlin, trägt seine Raps vor und wird bestimmt auch von der Thawra (Revolution) in seiner Heimat erzählen.

Deeb ist ebenfalls Sänger und Dichter, allerdings aus Kairo, wie auch Hend Hammad, und die beiden haben tolle Texte zum Thema zu bieten! Deeb bringt außerdem noch coole Beats mit, und ich bin sicher, es wird ein spannendes Festival!

Das komplette Programm des Poesiefestivals findet ihr hier, El General, Deeb und Hend Hammam gibt es am 18. Juni in der Akademie der Künste zu sehen, auf dem Diskussionspodium, und anschließend auch auf der Bühne. Kommt alle vorbei, wird bestimmt spannend!!

Sonntag, 10. April 2011

Mr. X kehrt zurück.

Alle Augen nach Kairo, die Revolution geht weiter, hat nie aufgehört, und erreicht heute einen weiteren, recht absurden Höhepunkt.
Am Freitag hatten sich hunderttausende Menschen wieder auf dem Midan al-Tahrir versammelt, um ihre Rechte einzufordern. Zuvor machten immer häufiger Gerüchte die Runde, das Interims-Militärregime würde Anhänger der Revolution festnehmen, foltern und in geheimen Militärtribunalen verurteilen.
Außerdem fordern die Demonstranten, dass dem ehemaligen Präsidenten Mubarak und seinen Ministern und Generälen der Prozess gemacht und dass Ermittlungen über Mubaraks Vermögen in die Wege geleitet werden.
Bei den Protesten ist es zu schlimmen Ausschreitungen gekommen, viele wurden verletzt, zwei starben.
Heute dann die große Überraschung. Gegen 15 Uhr unserer Zeit kursierten auf einmal Gerüchte auf Facebook und Twitter, Mubarak würde sich in einer Rede auf dem Sender Al Arabiya an die Nation wenden.
Und tatsächlich konnte ich die ganze Zeit über keinen Live Stream starten, weil der Server des Senders scheinbar komplett überlastet war. Aber die Rede wurde (offenbar vom Band kommend), tatsächlich ausgestrahlt, wie mir Freunde in Kairo berichteten, und wenig später konnte man sie dann auch auf der Seite des Senders lesen. Leider (bislang) nur auf Arabisch.
In seiner Rede sprach Mubarak das Volk immer noch als "seine Ägypterinnen und Ägypter" an, drückte sein nachhaltiges Bedauern über die Situation aus, er sei noch immer tief traurig und verletzt, dass sein Land ihm nicht mehr vertraut habe, wünsche dem Volk aber auf seinem weiteren Weg viel Glück.
Doch die "Unterstellungen und Gerüchte", er habe Geld unterschlagen, Menschen gefoltert und die Gesetzte verletzt, all das mache ihm Kummer und er weise solche Vorwürfe entschieden zurück.
Er habe immer nur das Beste für sein Land gewollt und ihm 30 Jahre lang gedient.
Ferner verspricht er, sowohl seine finanzielle Situation offen zu legen und den Behörden jegliche Kooperation zuzusagen, um Ermittlungen zu erleichtern. Er habe ein reines Gewissen und wolle die Anschuldigungen "ausländischer Medien" lügen strafen.
Kurz darauf kursierten bei Twitter unter dem Hashtag #Mubarakspeech schon hunderte disillusionierte, wütende und kämpferische Ansagen. Niemand glaubt diesem Mann ein Wort, und seine Worte werden, so schätze ich das ein, nur Wasser auf den Mühlen der jungen Leute auf der Straße sein. Sie werden weiter auf die Straßen und Plätze gehen. Die Rede war zynisch und herablassend, genau wie die letzten beiden Reden seiner Amtszeit. Mubarak wiegelt die Menschen noch aus seiner Altenresidenz/ Luxusexil auf. Gut gehen kann das nicht. Die Frage ist ja auch, warum der vor ziemlich genau 2 Monaten (ja, es ist wirklich schon so lange her!) abgesetzte Präsident immer noch die Möglichkeit von einem TV-Sender bekommt, Ansprachen ans Volk zu halten, als sei er noch Staatsoberhaupt und er wollte nur Neujahrsgrüße übermitteln. Die ägyptische Demokratiebewegung wird jetzt erst in die richtig anstrengende Phase gehen, und ein sehr entscheidender Punkt, von dem ich in den letzten Wochen immer wieder gesprochen habe, ist, freie und unabhängige Medien aufzubauen und den Menschen zur Verfügung zu stellen. Journalisten müssen erstmal lernen, wie sie kritisch berichten, Hörer, Leser und Zuschauer müssen lernen, differenziert die Nachrichten zu konsumieren und damit umzugehen. Auch dafür steht diese Mubarak-Rede: Die Medien in Ägypten sind noch zu sehr verbunden mit den alten Strukturen. Das muss aufbrechen!
Spannend wird außerdem, ob man dem Mann wirklich in absehbarer Zeit, wenn überhaupt jemals, den Prozess machen wird.
Und nur am Rande bemerkt - in den deutschen Medien habe ich zumindest bislang MAL WIEDER nichts über diese Rede gelesen, so wie überhaupt Ägypten in den letzten Wochen zunehmend aus den Nachrichten verschwunden ist. Nun denn - diese neue Mubarak-Rede könnte ein neuer Stein des Anstoßes werden!!
Der Blogger Sandymonkey hat - wie schon seit Monaten - eine sehr gute Einschätzung zur derzeitigen Situation in Ägypten gepostet - bin mal gespannt, was er zu der Rede schreiben wird!

Dienstag, 5. April 2011

Von bedrohten Arten und dem Erhalt aussterbender Juwelen

Das multikulturelle Frauenmagazin Gazelle, herausgegeben von der tollen Autorin und Journalistin Sineb El Masrar, steht vor dem Aus. Das ist furchtbar schade, zum Glück aber noch zu verhindern! Die Gazelle braucht Abonnenten - für den kleinen Betrag von 18,- € kommt euch die Gazelle 4x im Jahr ins Haus!
Es lohnt sich! Schlagt zu! Rettet die Gazelle!

Mittwoch, 23. März 2011

Die Frauen aus dem Magischen Königreich

Vor einer Weile hatte ich hier bereits meine persönliche Einschätzung zum revolutionären Potenzial in Saudi Arabien aufgeschrieben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es in Saudi Arabien zumindest in absehbarer Zeit nicht zu ähnlichen Bewegungen und Ausschreitungen wie in Bahrein, Libyen oder Ägypten kommen wird, auch weil der saudische König vor einigen Tagen bereits das zweite Wohltätigkeitspaket in Milliardenhöhe unter sein Volk gebracht hat. Damit sollen Löhne aufgestockt, Sozialleistungen wie Arbeitslosen- und Wohngeld, Studiengebühren, Versicherungen und vieles mehr bezahlt werden. 
Die Saudis reagieren im Allgemeinen gut und wohlwollend auf diese Bemühungen des Königshauses, wie unter anderem die bekannte Bloggerin Sabria Jawhar schreibt. Nichts desto trotz, so ist Sabrias Blog wie auch anderen Quellen zu entnehmen ist, werden Forderungen nach echten Reformen im Königreich immer lauter. Man muss wissen, dass dies die saudische Protestkultur ist. "Protest" besteht darin, dass man dem Staatsoberhaupt Briefe schreibt und seine konkreten Wünsche und Vorstellungen zur Verbesserung der Situation im Lande formuliert. Es passt nicht in die Mentalität und das Selbstverständnis der Saudis, ihren sehr respektierten König zum Abtreten aufzufordern. Sie möchten MIT ihm arbeiten, nicht gegen ihn. 
So auch die junge Journalistin Mona Kareem, die vor einigen Tagen eine "Revolutionserklärung der Frauen Saudi-Arabiens" formuliert hat. Neben Arabisch, Englisch und Französisch kann man die Erklärung hier auch auf Deutsch lesen.
Am Ende ihres Artikels schreibt Bloggerin Eman Fahad, typisch für einen Saudi, dass sie sich keine Sorgen um ihr Land mache. Mit einer Bevölkerung, in der 40% unter 20 sind und im medialen Zeitalter aufwachsen, und einer breiten und gut vernetzten Expatgemeinde sei echte Veränderung nur eine Frage der Zeit. Für mich persönlich drückt dieser Satz all das aus, was ich von Saudis kenne und was ich an ihnen so mag: sie vertrauen. Und haben Hoffnung. Inshallah. 

Freitag, 18. März 2011

"Wir haben Verständnis ..." - Ich nicht!!

Gestern Nacht hat – nach wochenlangem Zögern und Zaudern – der UN Sicherheitsrat ENDLICH für eine Flugverbotzone in Libyen gestimmt. Dagegen war niemand, enthalten hat sich neben Gaddafis Kumpels China und Russland auch Deutschland. Das war nicht unerwartet, schlimm genug, aber seit ich Westerwelles zynische Betroffenheits-Presseerklärung dazu heute morgen gehört habe, kann man doch nicht mehr anders als zu sagen: LEUTE, DAS IST DOCH ZUM KOTZEN!!!
In der WELT von heute gibt es einen prägnanten Kommentar dazu, der auch mehr als deutlich macht, was diese Entscheidung, die ohnehin viel zu spät kam, auch für die gesamte demokratische Bewegung im arabischen Raum bedeutet.
Mir anzuschauen, welche Rolle Deutschland dabei spielt, kann ich kaum ertragen, so übel wird mir dabei!

Demokratie, Leute, super Konzept. Glückwunsch, dass ihr dem Club endlich auch beitreten wollt. Aber hm, nee, also, einmischen wollen wir uns da ja lieber nicht … könnte uns ja die letzten Wählerstimmen kosten, so ein Militäreinsatz, jetzt wo wir keinen Popstar-Verteidigungsminister mehr haben, der uns aus solchen Situationen rettet. Zum Glück guckt die Welt ja gerade eher nach Japan, vielleicht merkt ja keiner, was wir für feige, fiese Demokratielügner sind.

Zwar wird es jetzt aller Wahrscheinlichkeit doch noch militärische Hilfe für Libyens Demonstranten geben, aber was das zum jetzigen Zeitpunkt noch bringt, das ist mehr als fraglich. Und welches Beispiel sich die Diktatoren der Region an Gaddafis Vorgehen nehmen, sehen wir an Bahrein
Und deshalb, lieber Herr Westerwelle, sind Sie und damit wir nicht viel mehr als Witzfiguren in den Augen von diesen Herrschern, deren Systeme wir ja ach so sehr missbilligen, deren Geld und Öl und Einfluss wir aber doch zu schön und angenehm finden. 
Deshalb, klar, ich versteh das ja, lieber raushalten! Am Ende macht man Sie noch dafür verantwortlich, wenn man mehr Geld beim Tanken zahlen muss, und das würde ja zu viele Wählerstimmen kosten!

Schönen Gruß nach Berlin!

Donnerstag, 17. März 2011

Mal wieder was zum Lachen

In letzter Zeit ist es ja hier und sowieso in der Welt furchtbar ernst zugegangen. Aber Lachen tut ja auch mal ganz gut!

Dienstag, 15. März 2011

And the winner is ...



Seit 2008 vergibt die Emirates Foundation Abu Dhabi in Kooperation mit der Booker Prize Foundation London den sogenannten International Prize for Arab Ficiton, der in der Presse kurz „arabischer Booker Preis“ genannt wird. Die sechs Autoren der Shortlist erhalten ein Preisgeld von $ 10.000, der Gewinner bekommt $ 50.000 und einen Vertrag für eine englische Übersetzung seines Werkes.
Gestern gaben die Stiftungen die Preisträger für 2011 bekannt und überraschten mit der Tatsache, dass er in diesem Jahr erstmals zwei Gewinnerromane gibt.
Diese beiden Romane sind:

Tawq al-Hamamah (Das Halsband der Taube) der saudi-arabischen Schriftstellerin Raja Alem
und
Al-Qus wa al-Farasha (Der Torbogen und der Schmetterling) des marokkanischen Autors Mohammed Achaari.

Herzlichen Glückwunsch!

Obgleich der Preis seit seiner Gründung viel für die Verbreitung arabischer Literatur vor allem im englischsprachigen Raum getan hat, geht mit der Vergabe immer auch eine gewisse Kontroverse einher (aber bei welchem Preis ist das schon anders?). So wird beispielsweise immer wieder moniert, dass statt auf literarische Qualität mehr auf die Herkunftsländer der Autoren geachtet wird. Zudem ist Raja Alem die erste weibliche Preisträgerin, und die ungleiche Anzahl männlicher und weibliche Autoren unter den Nominierten der letzten Jahre ruft immer wieder Kritiker auf den Plan.

Trotzdem freue ich mich über diesen Preis, denn er trägt dazu bei, einen großen Fleck auf der literarischen Weltkarte zumindest ein bisschen zu erschließen. Wenigstens, wenn man der englischen oder arabischen Sprache mächtig ist.
Denn unsere lieben deutschen Verlage, die sich so gern über mangelnde Qualität in der Weltliteratur einerseits und zu geringes Leserinteresse für sogenannte „Orchideensprachen“ andererseits beklagen, sind alles andere als mutig, wenn es um die arabische Literatur geht.

Deshalb hier mein Aufruf: Liebe Lektoren, Vertriebsmenschen und Verleger: Es gibt viele wunderbare Übersetzer aus dem Arabischen. Und es gibt ganz viele Bücher, die Euren Lesern den arabischen Kulturraum auch ohne Kamel auf dem Cover näher bringen können. Schaut euch doch da einfach mal um!!
Dass sich die Leser dafür interessieren, kann man doch daran sehen, dass beispielsweise das herrliche Buch „Im Taxi“ von Khaled al-Khamissi, das im sehr engagierten, kleinen, feinen schweizer Lenos Verlag erschienen ist, seit Erscheinen quasi vergriffen ist und nachgedruckt werden muss. Es war nämlich DAS EINZIGE auf Deutsch erhältliche literarische Werk, das Geschichten aus dem zeitgenössischen Ägypten zu bieten hat.
Ich bin jedenfalls gespannt, wann man einen der beiden diesjährigen Preisträger in deutscher Übersetzung lesen kann.
Den Gewinner von 2009 übrigens, Yousef Ziedans Roman „Azazeel“, in der Übersetzung von Larissa Bender erscheint übrigens voraussichtlich Ende des Jahres im Luchterhand Verlag.

Montag, 14. März 2011

Die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit - Freiheit.

Neulich im Kino:
Auf der Leinwand: Junge Menschen und alte Menschen, Männer und Frauen, mit und ohne Kopftuch, zu tausenden, zehntausenden auf den Straßen. Sie halten Plakate, schwenken Fahnen und Banner, singen, skandieren Parolen, fordern freie und faire Wahlen.
Ein Zeitzeuge berichtet: „Die ganze Welt, CNN, BBC, Al Jazeera, alle berichteten live von den Protesten. Nur im Nationalfernsehen waren stundenlang Tierfilme zu sehen.
Dann ein Newsflash auf der Leinwand: Telefonleitungen werden gekappt, Internet- und SMS-Dienste blockiert.
Dann Schüsse und undeutliche Bilder von Handy-Kameras. Menschenmassen geraten aneinander, Rauchschwaden, Schreie, Sirenen, man sieht, wie verletzte Menschen von der Straße getragen werden.

Was mich in diesen ersten paar Minuten in meinem Kinosessel am meisten erschreckt, ist das Gefühl von Déjà-vu. Hatte ich nicht gerade vor ein paar Wochen genau diese Bilder wie gebannt verfolgt?
Aber nein, in dem Film, der da vor mir läuft, geht es nicht um Kairo, nicht um die ägyptische Revolution.
Der Film heißt „The Green Wave“ und erzählt von der Grünen Revolution im Iran, im Frühjahr 2009. Und doch – gerade diese ersten Bilder – die friedlichen Proteste, die Plakate, die Hoffnung in den Augen der Menschen, das alles kommt mir doch nur allzu bekannt vor. Genauso wie die Bilder der ersten Ausschreitungen, die zivilen, sicher gekauften Schergen, die erbarmungslos einknüppeln auf Kinder, auf Frauen, auf alte Männer.
Doch dann, dann kippt es, und wird – bedrohlich – zu einer Version, wie sie sich in Kairo auch hätte abspielen können. Waren die Menschen grad noch voll Hoffnung, jubelten sie Mir Hussein Mussawi, dem Oppositionspolitiker und Herausforderer Ahmadinedschads entgegen, folgt die Stille – und der Schock. Ahmadinedschad gewinnt die Wahlen, gefälschte Wahlen – mit 67%.
„Der Mubarak wird sich gewinnen lassen, vielleicht so mit 60%, damit es nicht ganz so dreist aussieht nach den Demonstrationen.“ Das hatte jemand zu mir gesagt, am Anfang der Proteste in Kairo, als Mubarak noch im Amt und rücktrittsunwillig war.
Ahmadinedschad hat es getan, genau so. Und die Proteste gingen weiter, blutiger, schlimmer, brutaler denn je. Das Militär, die Polizei und die Geheimpolizei greifen zu Mitteln, die jenseits all dessen stehen, was der friedensverwöhnte Westeuropäer für möglich hält.
Und die Welt – schweigt.
„Demokratie ist ein Lippenbekenntnis des Westens“, sagt Payam Akhavan, ein UN-Beauftragter an einer Stelle des Films. „Ein schönes Konzept, solange es sie selbst nicht einschränkt.“
Auch das erinnert mich an die letzten Wochen. Haben wir denn nichts dazu gelernt?

„The Green Wave“ ist kein klassischer Dokumentarfilm. Regisseur und Autor Ali Samadi Ahad vereint authentisches Material, Interviews mit Dissidenten und Aktivisten, und gezeichneten, comicartigen Passagen (eindrücklich umgesetzt von Zeichner Ali Reza Darvish). Diese Comicpassagen sind unterlegt mit Texten aus echten Blogs aus der Zeit von Frühjahr bis Dezember 2009. Die Zeichnungen, die Blogtexte, die klugen Interviews und die fantastische Musik von Ali N. Askin machen den Film zu einem Kunst-Stück im wahrsten Sinne. Die Intensität der Bilder und Texte ist kaum auszuhalten, und mir stehen nach der ersten halben Stunde die Tränen in den Augen.
Gemischte Tränen sind das, wie seit Wochen schon. Tränen über die Schönheit und Würde und Glanz und Kraft, die der Gedanke an Freiheit bei den Menschen auslöst. Tränen der Wut darüber, wie viele Menschenleben die Beschneidung dieser Freiheit einem autoritärem Regime wert sind. Tränen der Wut auch darüber, dass wir es mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu tun haben, dass Wegschauen offenbar bei den westlichen Mächten immer Punkt Eins im Handbuch der Verhaltensweisen darstellt.

Als Blogger und Aktivist Mehdi Mohseni am Ende des Films mit brüchiger Stimme sagt, dass er sich manchmal fragt, wenn er mit der S-Bahn durch Köln fährt (da lebt er nun im Exil) und junge Menschen wie sich selbst bei ihren Wochenendaktivitäten beobachtet, ob diese jungen Leute sein Land, den Iran, überhaupt auf der Landkarte zeigen können, brechen bei mir alle Dämme.
Nicht nur, weil ich mich die ganzen letzten Wochen über dasselbe gefragt habe, was Ägypten, Libyen, Bahrein und Tunesien angeht, sondern auch, weil ich mich schäme. Ob meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne. Denn die Revolution im Iran, die im Gegensatz zu Ägypten (zumindest im Moment – inshallah) nicht gut und nicht friedlich ausgegangen ist, und keinesfalls beendet, ist gerade mal 18 Monate her. Und wer erinnert sich noch an diese Bilder?

Dieser Tage dominieren – völlig zurecht! - Bilder aus Japan die Nachrichten. Aber in Libyen, Bahrein und Ägypten gehen die Kämpfe weiter. Lasst uns das nicht vergessen
Und geht euch alle „The Green Wave“ anschauen!!
Wer sich darüber hinaus informieren möchte, wie die Situation im Iran derzeit ist, kann das hier tun.


Samstag, 26. Februar 2011

Geschichten aus einem fernen Königreich.

In einem mal wieder wunderbaren Artikel beschreibt Robert Fisk das, was derzeit im Nahen Osten vor sich geht, als die erschütterndste, lebhafteste und gleichzeitig (für den Außenstehenden) lähmendste Zeit seit dem Osmanischen Reich. „Schock und Ehrfurcht“ seien die richtigen Worte, meint er.
Und neben den inzwischen seit Wochen anhaltenden revolutionären Bewegungen und Unruhen blickt Fisk in seinem Text auch auf Saudi Arabien
Ich selbst schaue auch nach Saudi Arabien. Da lebt meine arabische Familie, Onkel, Tanten, jede Menge Cousinen und Cousins, mit vielen haben wir engen Kontakt.
Und ich bin wirklich furchtbar neugierig, was sie dort von den Ereignissen in Nahost (Fußnote: Lieber Spiegel Online, ES GIBT KEIN LAND, DAS ARABIEN HEISST!!!! Das ist der Nahe Osten!! Ich wäre sehr dankbar, wenn man im 21. Jahrhundert nicht mehr über diese orientalistischen Termini stolpern würde. Danke.) - also, von den Ereignissen in Nahost halten, was sie davon überhaupt mitbekommen, wie die Weltlage überhaupt dort rezipiert wird.
Aber mit Saudis über Politik reden, das ist schwer. Zum einen natürlich, weil in einem Land, in dem eine absolute Monarchie regiert, auch strengste Zensur und damit keinerlei Debattenkultur herrscht. Denn Diskutieren will ja auch gelernt sein. Unterhaltungen über Themen wie zum Beispiel das Fahrverbot für Frauen verlaufen dann meistens so:
Ich: „Aber wieso dürfen Frauen denn bei euch immer noch nicht Auto fahren?“
Cousine: „Das steht so im Gesetz. Sie wollten es schon vor einer Weile ändern, aber bis jetzt ist noch nichts passiert.“
Ich (schon leicht rot angelaufen): „Aber das geht doch nicht! Da müsst ihr doch was gegen unternehmen! Aus welchem Grund sollten Frauen nicht fahren dürfen?!“
Cousine (stoisch): „Vielleicht ändern sie es ja dieses Jahr.“
Und so wird es jedem gehen, der einmal versucht hat, mit einem Saudi über soziale oder politische Gegebenheiten in dem Land zu diskutieren. Stoisch wird mit den Schultern gezuckt (stoisch, oder doch phlegmatisch …), nein, es ist besser, wenn man sich nicht einmischt, das bringt nur Unbequemes mit sich. Außerdem, und das darf man natürlich nicht außer acht lassen, darf man ja seine Meinung gar nicht sagen. Auf freie öffentliche Meinungsäußerung stehen Geld- und Gefängnisstrafen.

Und bequem hat es trotz eiserner Monarchie ein Großteil der Bevölkerung noch immer. Dem sehr beliebten König Abdallah gelingt es (noch), durch sein Weihnachtsmann-Regime mittels Geld zumindest provisorisch die Wunden der saudischen Gesellschaft zu verarzten. Erst in der vergangenen Woche hat der König nach dreimonatiger Abwesenheit wegen medizinischer Behandlung in den USA sein Volk anlässlich seiner Rückkehr mit einer ziemlich großen Summe bedacht. „Ein Geschenk an das Volk“ sei das, und solle soziale Maßnahmen wie zum Beispiel Arbeitslosenversorgung, Wohnungsbau und Ausbildung investiert werden.

Doch unter der Oberfläche brodelt es schon seit einer Weile. Bevölkerungswachstum und damit einhergehende Arbeitslosigkeit und Armut gehen auch an einem der reichsten Länder der Erde nicht vorbei. Erst vor wenigen Wochen haben hunderte Männer still in der Hauptstadt Riyadh protestiert. Denn 2011 ist schon das zweite Jahr in Folge, in dem das ganze Land durch massive Regenfälle nahezu zum Stillstand gekommen ist. Mangelnde Bauweisen und eine nahezu nicht vorhandene Kanalisation führten zu schlimmen Überschwemmungen und Schäden an Häusern und Straßen. Menschen konnten nicht zur Arbeit oder aus ihren Büros, Schulen oder Universitäten, sie übernachteten tagelang in Hörsälen und Krankenhäusern. Nachdem die Überschwemmungen schon im letzten Jahr mehrere Tote gefordert haben, hatte das Königshaus zugesagt, in Straßen- und Kanalbau zu investieren und Schäden zu beheben. Es geschah nichts, und die Szenen von 2010 wiederholten sich.
Sowohl westliche und arabische Journalisten wie auch Blogger aus Saudi Arabien selbst fragen sich, wie groß das revolutionäre Potential im Magischen Königreich wirklich ist, und wirken allesamt unsicher. Klar scheint allen zu sein, dass das Erdbeben, das den Nahen Osten erfasst hat, auch an Saudi Arabien nicht spurlos vorbei gehen kann und wird. Doch eine so wuchtige „Thaura“ wie in Ägypten, die erwartet wohl keiner auf den Straßen von Jeddah oder Riyadh. Doch das Königreich ist zu komplex, zu kompliziert sind die Machtstrukturen des Hauses Sauds mit dem Rest der Welt, als dass sich eine halbwegs zuverlässige Prognose abgeben ließe.

Natürlich spielt Öl eine große Rolle, und Amerika und Europa und allerlei internationale diplomatische Verstrickungen. Davon verstehe ich aber nicht viel, vor allem nicht von Öl. Aber ich weiß, dass die Saudis ihren König im Allgemeinen und diesen König im Besonderen sehr respektieren und auch verehren. Das Volk ist konservativ, nicht nur was seine Auslegung des Islam angeht, sondern auch und vor allem in seinen Werten und Vorstellungen. Sie halten den König für weise und für den Mann, der schon am besten wissen wird, was gut ist für sein Volk. Viele fürchten, wer oder was auf den sehr modern eingestellten Abdallah folgen wird. Und so lange noch genug Geld für die ein oder andere Finanzspritze da ist, werden sich wohl die kleineren Proteste schnell zum Schweigen bringen lassen.
Schwierig wird es erst, wenn das mal nicht mehr geht, oder wenn der über 80-jährige König einem vielleicht weniger großzügigen Herrscher Platz machen muss.
Sollte Abdallah nicht jetzt schon, im Zuge dieses Panarabischen Frühlings, anfangen, sein junges Volk (über 40% sind unter Dreißig) in Richtung Demokratie zu erziehen? Könnte man als erste Maßnahmen die Zensur lockern, öffentliche Debatten erlauben und sogar fördern, ebenso wie die Formierung von politischen Parteien erlauben, sodass, wenn es – in vermutlich nicht allzu ferner Zukunft – zu einem Wechsel an der Spitze des Königreiches kommt, das Volk umgehen kann mit einer vielleicht etwas längeren Leine? Oder sind diese Ideen und Ansätze zu humanistisch, zu demokratisch? Wann weiß man, wann ein Volk reif ist für Demokratie? Bei uns hat es mehr als hundert Jahre gebraucht von den ersten Ansätzen bis zu einer voll funktionsfähigen Republik.

Was zur Zeit im Nahen Osten vor sich geht, ist vermutlich die spannendste, weitreichendste politische Entwicklung seit dem Ende des kalten Krieges. Was seit ein paar Wochen in Nordafrika und im arabischen Mittelmeerraum geschieht, wird die Welt verändern, das ist inzwischen keine Neuigkeit mehr. Dass Saudi Arabien dabei eine zentrale Rolle spielen wird, auch nicht. Umso spannender wird es sein, sich weitreichender und tiefer mit diesem seltsamen, geheimnisvollen Wüstenreich zu beschäftigen.
Als (zugegeben sehr weiten) Bogen kann ich hier allen Interessierten noch einmal Robert Fisk ans Herz legen, und sein Opus Magnum, „The great war for civilisation“, dass es leider und wie ich finde, völlig unverständlicherweise bisher nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Vielleicht sollte ich mich mal an die Arbeit machen ….