Mittwoch, 23. März 2011

Die Frauen aus dem Magischen Königreich

Vor einer Weile hatte ich hier bereits meine persönliche Einschätzung zum revolutionären Potenzial in Saudi Arabien aufgeschrieben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es in Saudi Arabien zumindest in absehbarer Zeit nicht zu ähnlichen Bewegungen und Ausschreitungen wie in Bahrein, Libyen oder Ägypten kommen wird, auch weil der saudische König vor einigen Tagen bereits das zweite Wohltätigkeitspaket in Milliardenhöhe unter sein Volk gebracht hat. Damit sollen Löhne aufgestockt, Sozialleistungen wie Arbeitslosen- und Wohngeld, Studiengebühren, Versicherungen und vieles mehr bezahlt werden. 
Die Saudis reagieren im Allgemeinen gut und wohlwollend auf diese Bemühungen des Königshauses, wie unter anderem die bekannte Bloggerin Sabria Jawhar schreibt. Nichts desto trotz, so ist Sabrias Blog wie auch anderen Quellen zu entnehmen ist, werden Forderungen nach echten Reformen im Königreich immer lauter. Man muss wissen, dass dies die saudische Protestkultur ist. "Protest" besteht darin, dass man dem Staatsoberhaupt Briefe schreibt und seine konkreten Wünsche und Vorstellungen zur Verbesserung der Situation im Lande formuliert. Es passt nicht in die Mentalität und das Selbstverständnis der Saudis, ihren sehr respektierten König zum Abtreten aufzufordern. Sie möchten MIT ihm arbeiten, nicht gegen ihn. 
So auch die junge Journalistin Mona Kareem, die vor einigen Tagen eine "Revolutionserklärung der Frauen Saudi-Arabiens" formuliert hat. Neben Arabisch, Englisch und Französisch kann man die Erklärung hier auch auf Deutsch lesen.
Am Ende ihres Artikels schreibt Bloggerin Eman Fahad, typisch für einen Saudi, dass sie sich keine Sorgen um ihr Land mache. Mit einer Bevölkerung, in der 40% unter 20 sind und im medialen Zeitalter aufwachsen, und einer breiten und gut vernetzten Expatgemeinde sei echte Veränderung nur eine Frage der Zeit. Für mich persönlich drückt dieser Satz all das aus, was ich von Saudis kenne und was ich an ihnen so mag: sie vertrauen. Und haben Hoffnung. Inshallah. 

Freitag, 18. März 2011

"Wir haben Verständnis ..." - Ich nicht!!

Gestern Nacht hat – nach wochenlangem Zögern und Zaudern – der UN Sicherheitsrat ENDLICH für eine Flugverbotzone in Libyen gestimmt. Dagegen war niemand, enthalten hat sich neben Gaddafis Kumpels China und Russland auch Deutschland. Das war nicht unerwartet, schlimm genug, aber seit ich Westerwelles zynische Betroffenheits-Presseerklärung dazu heute morgen gehört habe, kann man doch nicht mehr anders als zu sagen: LEUTE, DAS IST DOCH ZUM KOTZEN!!!
In der WELT von heute gibt es einen prägnanten Kommentar dazu, der auch mehr als deutlich macht, was diese Entscheidung, die ohnehin viel zu spät kam, auch für die gesamte demokratische Bewegung im arabischen Raum bedeutet.
Mir anzuschauen, welche Rolle Deutschland dabei spielt, kann ich kaum ertragen, so übel wird mir dabei!

Demokratie, Leute, super Konzept. Glückwunsch, dass ihr dem Club endlich auch beitreten wollt. Aber hm, nee, also, einmischen wollen wir uns da ja lieber nicht … könnte uns ja die letzten Wählerstimmen kosten, so ein Militäreinsatz, jetzt wo wir keinen Popstar-Verteidigungsminister mehr haben, der uns aus solchen Situationen rettet. Zum Glück guckt die Welt ja gerade eher nach Japan, vielleicht merkt ja keiner, was wir für feige, fiese Demokratielügner sind.

Zwar wird es jetzt aller Wahrscheinlichkeit doch noch militärische Hilfe für Libyens Demonstranten geben, aber was das zum jetzigen Zeitpunkt noch bringt, das ist mehr als fraglich. Und welches Beispiel sich die Diktatoren der Region an Gaddafis Vorgehen nehmen, sehen wir an Bahrein
Und deshalb, lieber Herr Westerwelle, sind Sie und damit wir nicht viel mehr als Witzfiguren in den Augen von diesen Herrschern, deren Systeme wir ja ach so sehr missbilligen, deren Geld und Öl und Einfluss wir aber doch zu schön und angenehm finden. 
Deshalb, klar, ich versteh das ja, lieber raushalten! Am Ende macht man Sie noch dafür verantwortlich, wenn man mehr Geld beim Tanken zahlen muss, und das würde ja zu viele Wählerstimmen kosten!

Schönen Gruß nach Berlin!

Donnerstag, 17. März 2011

Mal wieder was zum Lachen

In letzter Zeit ist es ja hier und sowieso in der Welt furchtbar ernst zugegangen. Aber Lachen tut ja auch mal ganz gut!

Dienstag, 15. März 2011

And the winner is ...



Seit 2008 vergibt die Emirates Foundation Abu Dhabi in Kooperation mit der Booker Prize Foundation London den sogenannten International Prize for Arab Ficiton, der in der Presse kurz „arabischer Booker Preis“ genannt wird. Die sechs Autoren der Shortlist erhalten ein Preisgeld von $ 10.000, der Gewinner bekommt $ 50.000 und einen Vertrag für eine englische Übersetzung seines Werkes.
Gestern gaben die Stiftungen die Preisträger für 2011 bekannt und überraschten mit der Tatsache, dass er in diesem Jahr erstmals zwei Gewinnerromane gibt.
Diese beiden Romane sind:

Tawq al-Hamamah (Das Halsband der Taube) der saudi-arabischen Schriftstellerin Raja Alem
und
Al-Qus wa al-Farasha (Der Torbogen und der Schmetterling) des marokkanischen Autors Mohammed Achaari.

Herzlichen Glückwunsch!

Obgleich der Preis seit seiner Gründung viel für die Verbreitung arabischer Literatur vor allem im englischsprachigen Raum getan hat, geht mit der Vergabe immer auch eine gewisse Kontroverse einher (aber bei welchem Preis ist das schon anders?). So wird beispielsweise immer wieder moniert, dass statt auf literarische Qualität mehr auf die Herkunftsländer der Autoren geachtet wird. Zudem ist Raja Alem die erste weibliche Preisträgerin, und die ungleiche Anzahl männlicher und weibliche Autoren unter den Nominierten der letzten Jahre ruft immer wieder Kritiker auf den Plan.

Trotzdem freue ich mich über diesen Preis, denn er trägt dazu bei, einen großen Fleck auf der literarischen Weltkarte zumindest ein bisschen zu erschließen. Wenigstens, wenn man der englischen oder arabischen Sprache mächtig ist.
Denn unsere lieben deutschen Verlage, die sich so gern über mangelnde Qualität in der Weltliteratur einerseits und zu geringes Leserinteresse für sogenannte „Orchideensprachen“ andererseits beklagen, sind alles andere als mutig, wenn es um die arabische Literatur geht.

Deshalb hier mein Aufruf: Liebe Lektoren, Vertriebsmenschen und Verleger: Es gibt viele wunderbare Übersetzer aus dem Arabischen. Und es gibt ganz viele Bücher, die Euren Lesern den arabischen Kulturraum auch ohne Kamel auf dem Cover näher bringen können. Schaut euch doch da einfach mal um!!
Dass sich die Leser dafür interessieren, kann man doch daran sehen, dass beispielsweise das herrliche Buch „Im Taxi“ von Khaled al-Khamissi, das im sehr engagierten, kleinen, feinen schweizer Lenos Verlag erschienen ist, seit Erscheinen quasi vergriffen ist und nachgedruckt werden muss. Es war nämlich DAS EINZIGE auf Deutsch erhältliche literarische Werk, das Geschichten aus dem zeitgenössischen Ägypten zu bieten hat.
Ich bin jedenfalls gespannt, wann man einen der beiden diesjährigen Preisträger in deutscher Übersetzung lesen kann.
Den Gewinner von 2009 übrigens, Yousef Ziedans Roman „Azazeel“, in der Übersetzung von Larissa Bender erscheint übrigens voraussichtlich Ende des Jahres im Luchterhand Verlag.

Montag, 14. März 2011

Die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit - Freiheit.

Neulich im Kino:
Auf der Leinwand: Junge Menschen und alte Menschen, Männer und Frauen, mit und ohne Kopftuch, zu tausenden, zehntausenden auf den Straßen. Sie halten Plakate, schwenken Fahnen und Banner, singen, skandieren Parolen, fordern freie und faire Wahlen.
Ein Zeitzeuge berichtet: „Die ganze Welt, CNN, BBC, Al Jazeera, alle berichteten live von den Protesten. Nur im Nationalfernsehen waren stundenlang Tierfilme zu sehen.
Dann ein Newsflash auf der Leinwand: Telefonleitungen werden gekappt, Internet- und SMS-Dienste blockiert.
Dann Schüsse und undeutliche Bilder von Handy-Kameras. Menschenmassen geraten aneinander, Rauchschwaden, Schreie, Sirenen, man sieht, wie verletzte Menschen von der Straße getragen werden.

Was mich in diesen ersten paar Minuten in meinem Kinosessel am meisten erschreckt, ist das Gefühl von Déjà-vu. Hatte ich nicht gerade vor ein paar Wochen genau diese Bilder wie gebannt verfolgt?
Aber nein, in dem Film, der da vor mir läuft, geht es nicht um Kairo, nicht um die ägyptische Revolution.
Der Film heißt „The Green Wave“ und erzählt von der Grünen Revolution im Iran, im Frühjahr 2009. Und doch – gerade diese ersten Bilder – die friedlichen Proteste, die Plakate, die Hoffnung in den Augen der Menschen, das alles kommt mir doch nur allzu bekannt vor. Genauso wie die Bilder der ersten Ausschreitungen, die zivilen, sicher gekauften Schergen, die erbarmungslos einknüppeln auf Kinder, auf Frauen, auf alte Männer.
Doch dann, dann kippt es, und wird – bedrohlich – zu einer Version, wie sie sich in Kairo auch hätte abspielen können. Waren die Menschen grad noch voll Hoffnung, jubelten sie Mir Hussein Mussawi, dem Oppositionspolitiker und Herausforderer Ahmadinedschads entgegen, folgt die Stille – und der Schock. Ahmadinedschad gewinnt die Wahlen, gefälschte Wahlen – mit 67%.
„Der Mubarak wird sich gewinnen lassen, vielleicht so mit 60%, damit es nicht ganz so dreist aussieht nach den Demonstrationen.“ Das hatte jemand zu mir gesagt, am Anfang der Proteste in Kairo, als Mubarak noch im Amt und rücktrittsunwillig war.
Ahmadinedschad hat es getan, genau so. Und die Proteste gingen weiter, blutiger, schlimmer, brutaler denn je. Das Militär, die Polizei und die Geheimpolizei greifen zu Mitteln, die jenseits all dessen stehen, was der friedensverwöhnte Westeuropäer für möglich hält.
Und die Welt – schweigt.
„Demokratie ist ein Lippenbekenntnis des Westens“, sagt Payam Akhavan, ein UN-Beauftragter an einer Stelle des Films. „Ein schönes Konzept, solange es sie selbst nicht einschränkt.“
Auch das erinnert mich an die letzten Wochen. Haben wir denn nichts dazu gelernt?

„The Green Wave“ ist kein klassischer Dokumentarfilm. Regisseur und Autor Ali Samadi Ahad vereint authentisches Material, Interviews mit Dissidenten und Aktivisten, und gezeichneten, comicartigen Passagen (eindrücklich umgesetzt von Zeichner Ali Reza Darvish). Diese Comicpassagen sind unterlegt mit Texten aus echten Blogs aus der Zeit von Frühjahr bis Dezember 2009. Die Zeichnungen, die Blogtexte, die klugen Interviews und die fantastische Musik von Ali N. Askin machen den Film zu einem Kunst-Stück im wahrsten Sinne. Die Intensität der Bilder und Texte ist kaum auszuhalten, und mir stehen nach der ersten halben Stunde die Tränen in den Augen.
Gemischte Tränen sind das, wie seit Wochen schon. Tränen über die Schönheit und Würde und Glanz und Kraft, die der Gedanke an Freiheit bei den Menschen auslöst. Tränen der Wut darüber, wie viele Menschenleben die Beschneidung dieser Freiheit einem autoritärem Regime wert sind. Tränen der Wut auch darüber, dass wir es mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu tun haben, dass Wegschauen offenbar bei den westlichen Mächten immer Punkt Eins im Handbuch der Verhaltensweisen darstellt.

Als Blogger und Aktivist Mehdi Mohseni am Ende des Films mit brüchiger Stimme sagt, dass er sich manchmal fragt, wenn er mit der S-Bahn durch Köln fährt (da lebt er nun im Exil) und junge Menschen wie sich selbst bei ihren Wochenendaktivitäten beobachtet, ob diese jungen Leute sein Land, den Iran, überhaupt auf der Landkarte zeigen können, brechen bei mir alle Dämme.
Nicht nur, weil ich mich die ganzen letzten Wochen über dasselbe gefragt habe, was Ägypten, Libyen, Bahrein und Tunesien angeht, sondern auch, weil ich mich schäme. Ob meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne. Denn die Revolution im Iran, die im Gegensatz zu Ägypten (zumindest im Moment – inshallah) nicht gut und nicht friedlich ausgegangen ist, und keinesfalls beendet, ist gerade mal 18 Monate her. Und wer erinnert sich noch an diese Bilder?

Dieser Tage dominieren – völlig zurecht! - Bilder aus Japan die Nachrichten. Aber in Libyen, Bahrein und Ägypten gehen die Kämpfe weiter. Lasst uns das nicht vergessen
Und geht euch alle „The Green Wave“ anschauen!!
Wer sich darüber hinaus informieren möchte, wie die Situation im Iran derzeit ist, kann das hier tun.